Nachhaltigkeit steht (noch) nicht im Fokus bei Kreditvergabe

So wirtschaften, dass Haus und Hof in gutem Zustand an die Kinder übergeben werden können – das ist seit Jahrhunderten gelebte Praxis in der Landwirtschaft. Das Thema Nachhaltigkeit ist also nicht neu für die landwirtschaftlichen Betriebe in Friesland. Neu ist allerdings, dass in immer mehr Wirtschaftsbereichen Normen und Vorgaben ausgearbeitet werden, was als „nachhaltig“ gilt – womöglich mit ganz handfesten Konsequenzen, beispielsweise für die Einstufung der Kreditwürdigkeit von Bankkunden?

Für Antworten auf diese Frage hatte der Kreislandvolkverband Friesland zwei Experten aus den regionalen Banken zu seiner Jahreshauptversammlung in den Schützenhof Jever eingeladen: Norbert Moormann, Nachhaltigkeitsmanager für das Firmenkundengeschäft bei der Landessparkasse zu Oldenburg, sowie Joachim Biele, Firmenkundenbetreuer bei der Volksbank Jever. Die beiden Fachleute konnten die knapp 100 Delegierten und Gäste zunächst beruhigen: „Im Moment spielt dieser Faktor bei unseren Entscheidungen über Kredite noch keine Rolle.“ Auf lange Sicht werde dies aber wohl nicht so bleiben.

Hintergrund dieser Entwicklung sei der Klimawandel, der längst auch in Niedersachsen Realität sei, erläuterte Norbert Moormann. Als Beleg führte er die Entwicklung von Temperatur und Niederschlag im Laufe der vergangenen 150 Jahre an. Unter dem Oberbegriff „Taxonomie“ sei die EU gerade dabei, einheitliche Kriterien zu erarbeiten, ob eine Wirtschaftstätigkeit als nachhaltig einzustufen ist. Auf Ebene der Banken schlage sich dies in der Beurteilung der Unternehmen nach ökologischen und sozialen Aspekten sowie nach der Betriebsführung nieder – dem sogenannten „ESG Score“.

Bei Kreditvergaben bis 750.000 Euro (Volksbank) beziehungsweise eine Million Euro (LzO) wenden die Banken derzeit pauschale Einstufungen an, die sich nach der Branche sowie der Postleitzahl richten. Die Kriterien für die Einstufung werden von der EU vorgegeben, nicht von den Banken. Ein typischer Milchviehbetrieb in unserer Region landet demnach in der zweitschlechtesten Klasse D. „Wir schließen deswegen aber keinen Kunden von der Kreditvergabe aus, sondern möchten die Betriebe beim Besserwerden begleiten“, stellte Norbert Moormann klar. Sobald man den einzelnen Betrieb im Detail betrachte, sei es oft ohne Probleme möglich, in die Klasse C zu kommen – etwa durch die Erzeugung von Strom aus der hofeigenen Photovoltaikanlage.

Im Moment hat der ESG-Score weder bei der Volksbank Jever noch bei der LzO eine Auswirkung auf die Kreditvergabe oder auf den Zinssatz. „Das Thema wird heißer gekocht als gegessen“, zog Lars Kaper, Vorsitzender des Kreislandvolkverbands Friesland, als Fazit. Nach Einschätzung von Joachim Biele werde sich dies auch eher später als früher ändern.

Lars Kaper und Manfred Ostendorf, Geschäftsführer des Kreislandvolkverbands Friesland, blickten in ihren Berichten auf das Jahr 2024 zurück, das stark von den großen Demonstrationen zu Jahresbeginn und den daraus folgenden Gesprächen mit Politik und Verwaltung geprägt war. Frieslands Landrat Sven Ambrosy ging in seinem Grußwort auf den immer wieder geäußerten Wunsch nach Bürokratieabbau ein: „Ziel ist, dass der Landkreis das, was er selbst in der Hand hat, so einfach wie möglich gestaltet.“ Angesichts der leeren Kreiskasse müsse es dabei auch darum gehen, ob man beim Naturschutz die „Goldkanten-Lösung“ braucht und 50 Millionen Euro in den Vogelschutz stecken könne, oder ob es auch hier einfachere Lösungen gebe.