Erst zu wenig Regen, dann zu viel, und jetzt im September ein nachgeholter Sommer – das Wetter hat die Landwirte in diesem Jahr vor einige Herausforderungen gestellt. Während die Ackerbauern durch den vielen Regen im Juli empfindliche Einbußen vor allem beim Weizen hinnehmen mussten, ist das Erntejahr für die Grünlandbetriebe zufriedenstellend verlaufen. „Wir haben ausreichend Gras für den Winter geerntet, und auch beim Mais sieht es von der Quantität her gut aus“, bilanzierte Lars Kaper, Vorsitzender des Kreislandvolkverbands Friesland, bei der traditionellen Erntekrone-Übergabe an den Landkreis. „Wie es mit der Qualität aussieht, werden wir nach der Ernte sehen.“
Was die Erlöse für die landwirtschaftlichen Produkte angehe, sei man nach einem sehr guten Jahr 2022 in etwa wieder beim Vor-Corona- und Vor-Ukrainekrieg-Niveau angelangt. Allerdings seien die hohen Kosten für Produktionsmittel wie Energie und Düngemittel geblieben, während weitere Produktivitätssteigerungen nur noch sehr eingeschränkt möglich seien. „Die Landwirtschaft ist mit ihren Erzeugerpreisen im Moment eine Inflationsbremse“, betonte Lars Kaper. „Was der Handel damit macht, steht auf einem anderen Blatt.“ Und die Situation beim Gemüse zeige, dass ein beschränktes Angebot auf dem deutschen Markt auch nicht die Lösung sei: Bei Salat, Kohl oder Tomaten betrage der Selbstversorgungsgrad in Deutschland rund 25 Prozent; trotzdem diktiere der Handel die Preise, weil die Einkäufer im Zweifel auf Produkte aus dem europäischen Ausland ausweichen könnten.
Neben der Produktion von Lebensmitteln ist auch die Energiewende derzeit ein Riesen-Themea für die Landwirtschaft in Friesland, wie Geschäftsführer Manfred Ostendorf berichtete. Nachdem im vergangenen Jahr das LNG-Terminal in Wilhelmshaven über neue Gasleitungen ans bestehende Netz angeschlossen werden musste, geht es jetzt um die Planung von Stromtrassen für den Transport der Offshore-Windenergie einschließlich der erforderlichen Infrastruktur wie Konverterstationen oder Umspannwerke. „In Wilhelmshaven und umzu führt das zu Verwerfungen auf dem Bodenmarkt“, hat Manfred Ostendorf beobachtet. „Dort sind Leute unterwegs, die sich Flächen teils für den doppelten Kaufpreis sichern. Der Bauer von nebenan, der auch Interesse gehabt hätte, kann da nicht mithalten.“ Für die Eigentümer von Flächen, über die die Leitungen geführt werden sollen, verhandelt der Kreislandvolkverband Friesland derzeit mit den Netzbetreibern Tennet und Amprion Rahmenverträge für Entschädigungsleistungen.
„Die Belastungen durch die Energiewende werden nur dann von der Bevölkerung akzeptiert, wenn unsere Region auch handfeste Vorteile davon hat“, machte Landrat Sven Ambrosy deutlich. Er habe den Eindruck, dass der ländliche Raum von den Ballungsräumen immer mehr als Dienstleister gesehen werde, der neben der Versorgung durch Lebensmittel auch für die Produktion und die Weiterleitung von Energie zu den industriellen Zentren im Süden Deutschlands zu sorgen habe – ganz abgesehen von der Bereitstellung an Ausgleichsflächen für die damit einhergehende Versiegelung der Landschaft. „Ich begrüße daher die geplante Akzeptanz-Abgabe für Windkraftanlagen an die Gemeinden. Das sollte es auch für Freiflächen-Photovoltaikanlagen und für den Leitungsbau geben.“
Die Pläne des Landes Niedersachsen, die Einhaltung der Klimaschutzziele zeitlich auch noch vorzuziehen, sieht Landvolk-Vorsitzender Lars Kaper kritisch. „Als Landwirte sind wir gerade bei der Energiewende Teil der Lösung. Wir machen schon viel auf den Betrieben und sind auch bei den großen Photovoltaik- und Windkraftprojekten mit dabei. Die landwirtschaftliche Produktion selbst ist aber energieintensiv. Es wird uns nicht gelingen, die Produktion noch einmal beschleunigt umzustellen.“